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Archiv-Artikel

Der Fußball soll Wunden heilen

Mit einer respektablen Leistung beim 1:2 im Eröffnungsspiel gegen Gastgeber Tunesien startet die Mannschaft aus Ruanda in den Afrika-Cup. Für das kleine Land ist das Soll mit der Teilnahme am Turnier längst erfüllt

TUNIS taz ■ Als das heliumgefüllte Schiff mit der Aufschrift „Let’s Go Africa“ abhob, war der Übergang zwischen der Eröffnungszeremonie des 24. Afrika-Cups und dem ersten Spiel des Turniers geschaffen. Gastgeber Tunesien traf mit Ruanda auf einen Gegner, der die hoffnungsbeladene Botschaft, die langsam im tunesischen Abendhimmel verschwand, bereits am 6. Juli des vergangenen Jahres empfangen hatte. Da sicherte sich Ruanda als kleinstes Land seit Mauritius vor 30 Jahren die Teilnahme mit einem 1:0-Erfolg gegen die große afrikanische Fußballnation Ghana. 9 Jahre, nachdem 1994 die damalige Hutu-Regierung innerhalb von 100 Tagen 800.000 Tutsi ermorden ließ, feierten erstmals Hutu und Tutsi gemeinsam ein Freudenfest.

Ein Erfolg, der das Renommee des Präsidenten und ersten Fußballförderers Ruandas, Paul Kagame, steigerte und dazu beitrug, dass dieser, einen Monat nach dem entscheidenden Tor von Jimmy Gatete, die ersten freien Präsidentschaftswahlen des Landes seit dem Genozid mit großer Mehrheit gewinnen konnte. Die Regierung unterstützt das Team finanziell, um Reisen und Vorbereitungsturniere zu ermöglichen. „Nun reise ich durch Afrika und werde auf unseren Fußball angesprochen und nicht mehr nur auf die politischen Probleme Ruandas“, erklärte Kagame dem englischen Fußballmagazin FourFourTwo jüngst. Der serbische Trainer der Ruander, Ratomir Dujković, gibt auf dem Rasen das vor, was Kagame gesellschaftlich vorantreiben will: Hutu und Tutsi spielen gemeinsam für ihr Land und singen unter neuer Flagge die neue Nationalhymne zusammen. „Unglaublich, was der Fußball für unser Land geschaffen hat“, schüttelt Henriette, der Torschütze des zwischenzeitlichen 1:1 (31.), den Kopf. Das bewegt die Spieler noch immer mehr als die knappe 1:2-Niederlage nach Toren der tunesischen Stürmer Zied Jaziri (26.) und dem gerade eingebürgerten Brasilianer Silva dos Santos (57.) gegen den im Eröffnungsspiel nicht überzeugenden Mitfavoriten. „Es war ein typisches Eröffnungsspiel“, entschuldigte sich der tunesische Trainer Roger Lemerre, der seinem Team die Angst nicht ganz nehmen konnte, wie vor 10 Jahren als Gastgeber des Afrika-Cups in der Vorrunde zu scheitern.

Ruanda setzt sich geringerem Erfolgsdruck aus. Natürlich wolle man die Ausscheidungsrunde mit Erfolgen über die anderen Gruppengegner aus Guinea und der Demokratischen Republik Kongo erreichen, erklärt Dujković, „aber wenn wir 15. von 16 Teams werden, ist das ein Erfolg für Ruanda“. Nationalspieler Michel Kamanzi, der für die SG Betzdorf in der fünftklassigen Rheinland-Liga spielt, glaubt ein gutes Spiel seiner Mannschaft gegen Tunesien gesehen zu haben. „Viele haben doch geglaubt , wir kassieren fünf, sechs Tore“, strahlt der bei Betzdorfs Hauptsponsor im Büromaterial-Versandhandel angestellte Ruander. Sieben solche Halbprofis aus Ruanda gibt es in Europa. Der Rest des Teams spielt nach wie vor in der heimischen Liga. „Die Scouts gehen doch immer nur nach Ghana, Nigeria und Kamerun“, beschwert sich Kamanzis Mitspieler Olivier Karekezi, Spitzname „Zidane“. Tunesiens Starspieler Hatem Trabelsi, derzeit bei Ajax Amsterdam, erzählt derweil von millionenschweren Vorvertragsangeboten von Chelsea und Arsenal.

Karakezi und seine Mitspieler wollen in Tunesien wenigstens so viel Aufmerksamkeit erregen, dass sie künftig von Engagements in Europa ihren kompletten Lebensunterhalt verdienen können. „In Ruanda gibt es den Status des Profis nicht“, erzählt Kamanzi, der als Spieler des Jahres 1996 in Ruanda auf Empfehlung eines Landsmannes nach Deutschland wechselte. Dass er im ersten Spiel seines Teams nicht berücksichtigt wurde, nimmt Michel Kamanzi noch einigermaßen gelassen. „Ich glaube schon, dass ich noch mal spiele. Bis jetzt war ich immer Stammspieler.“ Er habe sich erst im letzten Moment anders entschieden, erklärt Dujković, und verspricht, dass der 29-Jährige seine Chance bekommen werde. „Michel ist ein toller Typ.“

OKE GÖTTLICH